AllgemeinAnträge - StaVoFraktion

Haushalt 2022 zeugt von Konzeptlosigkeit

Haushaltsrede von Thomas Reyer in der Stadtverordnetenversammlung am 16.12.21

Der Entwurf für die Haushaltssatzung 2022 ist wieder ein beeindruckendes und im Detail jeden Leser erschlagendes Werk geworden.

Konzeptlosigkeit

Es ist der Verwaltung auch in diesem Jahr wieder mit großer Fleißarbeit gelungen, einen ausgeglichenen Haushalt zu entwerfen, der mit einem Saldo von 0,00 EURO festgesetzt werden soll. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung sehr herzlich für ihre Arbeit und für ihre Geduld mit uns Stadtverordneten in den Ausschusssitzungen bedanken. Wir haben wieder zahllose Fragen gestellt und dankenswerter Weise immer auch schnelle Antworten darauf erhalten.

Zur Finanzierung von Investitionen werden im kommenden Jahr voraussichtlich Darlehen in Höhe von 4.990.760 Euro aufgenommen werden müssen.

Hinzu kommen Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 2,2 Mio. Euro und die Ermächtigung für die Aufnahme von Liquiditätskrediten in Höhe von noch einmal 2,0 Mio. Euro.

Die Zahlen belegen, dass im kommenden Jahr sehr viel Geld ausgegeben werden soll und ausgegeben werden muss.

Aber stellen wir uns doch zuerst einmal die Frage, was ein öffentlicher Haushalt überhaupt ist und wofür er ausgestellt wird. Wenn man Google zur Beantwortung dieser Frage bemüht findet man unter anderem folgende Antwort: „In demokratischen Staaten ist der Haushaltsplan als aussagehaltigster Beweis für die von der regierenden Mehrheit verfolgte Politik anzusehen.“

Was wir Sozialdemokraten schon während der Finanzausschuss-Sitzungen und danach auch bei Vorlage des fertigen Haushaltsentwurfs feststellen mussten ist, dass dem uns jetzt vorgelegten Haushalt, wie in den vergangenen Jahren leider auch schon, ein erkennbares Konzept des Bürgermeisters und der Koalition in dieser Stadtverordnetenversammlung fehlt, wie die Zukunft Eschweges im Jahr 2022 und in den Folgejahren gestaltet werden soll.

Die völlige Plan- und Konzeptlosigkeit kommt schon in der Vorlage für die heutige Sitzung zum Ausdruck.

Dort heißt es:
Beschreibung der Auswirkungen auf das strategische Ziel FamilienStadt:   …………
Beschreibung der Auswirkungen auf das strategische Ziel EnergieStadt (Klimaneutrale Stadt):  ……….

Wir sollen also heute über einen Haushaltssatzungsentwurf entscheiden, der nach eigener Einschätzung des Bürgermeisters und der Koalition aus CDU, FDP und FWG keinerlei Auswirkungen auf die drängendsten Probleme und Aufgaben der Zukunft für unsere Stadt hat.

Diese Selbsteinschätzung des Bürgermeisters und der Koalition ist ein politischer Offenbarungseid, den wir Sozialdemokraten nicht unterstützen können.

Es dürfte inzwischen jedem klar sein, dass eine gute und zukunftssichere Politik für Familien eine der wichtigsten Grundvoraussetzung für das Leben der Menschen in unserer Stadt ist. Nur wenn ein familiengerechtes, lebenswertes Umfeld existiert, wird die Stadt eine Zukunft haben.

Mindestens genauso wichtig ist es, endlich konsequent auf eine klimaneutrale Stadt hinzuarbeiten. Das Ziel der Klimaneutralität darf nicht, wie bisher, als lästige Nebenaufgabe angesehen werden., Es ist von existentieller Bedeutung für und alle. 


 

Verkehrswende

Neben den vorgenannten Punkten mahnen wir schon seit Langem an, dass man aus ökologischen Gründen und aus Gründen der Verbesserung der Lebensqualität der Menschen, die an vielbefahrenen Straßen leben müssen, auch in Eschwege endlich konsequent an einer Verkehrswende arbeiten muss.

Leider gibt es auch hierzu gibt es im Haushalt und im Investitionsprogramm bis 2025 keinerlei Perspektiven. Wir brauchen endlich ein konsequent zu planendes und schnellstmöglich einzurichtendes Fahrradwegenetz. Für dessen Einrichtung ist im Haushalt und im Investitionsprogramm bis 2025 kein Geld vorgesehen.

Wir Sozialdemokraten haben auch den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehr immer wieder gefordert. So fehlt z.B. die Anbindung der neuen KiTa am Bahnhof und des dortigen Ärztehauses an das Stadtbusnetz. Auch die vielen Arbeitsplätze in der Thüringer Straße sind nicht mit dem Stadtbus erreichbar.

Dem Bürgermeister und der Koalition war im letzten Dezember noch nicht einmal der Verlust des Zughalts in Niederhone für die Züge von Eschwege nach Bebra ein politisches Einschreiten wert. Durch unsere Intervention beim NVV und unsere öffentlichen Proteste konnte für die Bewohner der westlichen Stadtteile glücklicherweise inzwischen erreicht werden, dass seit dieser Woche die Züge wieder in Niederhone halten.

Das vorgenannte Beispiel und die fehlenden Ansätze im Haushalt belegen eindrucksvoll die Gleichgültigkeit des Bürgermeisters und der Koalition in Fragen der Verkehrswende.


Stadt der Zukunft

Wir brauchen in Eschwege endlich ein schlüssig entwickeltes und nachdrücklich verfolgtes Konzept für die „Stadt der Zukunft“, die klimafreundlich, nachhaltig und lebenswert ist.

Nach 12 Jahren Amtszeit des Bürgermeisters und fast 6 Jahren konservativer Mehrheit aus CDU, FDP und FWG in der Stadtverordnetenversammlung ist leider auch im neuen Haushaltsentwurf kein solches Konzept erkennbar.

Wo sind die Schwerpunkte der Zukunftspolitik für unsere Stadt?

Sie sind nicht sichtbar!

Stattdessen wird uns wieder nur ein lauer Reaktionshaushalt vorgelegt, der lediglich aus Bedarfsanforderungen der einzelnen Fachbereichsleiter im Rathaus zusammengeschrieben wurde. 

Diese Feststellung stellt ausdrücklich keine Kritik an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung dar. Vielmehr kritisiert sie den mangelnden Gestaltungswillen bzw. die mangelnde Gestaltungsfähigkeit des Bürgermeisters und der Koalition.

Ich habe gerade heute in der Zeitung ein interessantes Interview mit der früheren CDU-Bundesministerin Frau Dr. Kristina Schröder gelesen:  Ich erlaube mir mal, daraus etwas verkürzt einen Satz zu zitiere.

Frau Dr. Schröder sagte: „Wenn man so tut, als gäbe es nur Sachzwänge, dann entkernt man die Politik und macht sie, konsequent zu Ende gedacht, überflüssig.“

Genau hier liegt das Problem des von Ihnen vorgelegten Haushaltsplans, des von Ihnen vorgelegten Investitionsprogramms und des von Ihnen vorgelegten Stellenplans.

In allen drei Plänen fehlt der rote Faden, wie es mit Eschwege weitergehen soll. Es wird uns zwar für den Zeitraum 2021-2025 ein Investitionsvolumen von 55.893.600,- EURO vorgerechnet. 

Aber wie können diese Investitionen auch tatsächlich ausgeführt werden?

Schon jetzt haben wir bei den Investitionen aktuell nur eine Realisierungsquote von ca. 41 %, wenn man die vergangenen Jahre und Haushalte insgesamt betrachtet. Schaut man sich nur das aktuelle Jahr 2021 an, kommt man, Stand Ende Oktober, nur auf eine Realisierungsquote von knapp 27 %. Die Lage wir damit immer schlimmer und eine Besserung ist auch für 2022 nicht in Sicht.


Personalpolitik

Bei einer derartig schlechten Realisierungsquote hätte der Bürgermeister die Personalpolitik im Rathaus längst zur Chefsache machen müssen.

Obwohl man schon die seit Langem geplanten Maßnahmen mit dem vorhandenen Personal nicht umsetzen kann und teilweise, wie z.B. den Ausbau der Langemarckstraße, gestrichen hat, kommen ständig neue Planungen hinzu. Wozu brauchen wir z.B. ein „Eschwege-Haus“ am Stad? Warum kauft die Stadt zu einem völlig überhöhten Preis die Bestandsimmobilie auf, um sie dann abzureißen und durch ein überdimensioniertes Glashaus zu ersetzen, dessen Nutzung völlig ungeklärt ist? Ein solches Projekt bindet nicht nur Unsummen von Geld, das wir nicht haben, sondern auch personelle Ressourcen, die an anderer Stelle dringender gebraucht würden. Personal wird z.B. für die Planung weiterer KiTa-Betreuungsplätze benötigt oder für den notwendigen Neubau der Feuerwache. 

Seit Monaten ist die Stelle des Fachbereichsleiters im Tiefbau nicht besetzt. Eine Neubesetzung ist noch nicht in Aussicht. Schon in der Zeit, als die Stelle noch besetzt war, reichten die personellen Kapazitäten nicht aus. Wie sollen da die geplanten und die noch nicht abgearbeiteten Investitionen im Tiefbau umgesetzt werden?

Auf unsere Nachfrage im Finanzausschuss erhielten wir in diesem Zusammenhang allen Ernstes die Antwort, dass man beim Stellenplan weiter mit den Maßgaben, die seinerzeit vom damaligen 1. Stadtrat Reiner Brill aufgestellt worden sind, arbeite und nach weiterem Einsparungspotenzial beim Personalbestand suche.

Reiner Brill ist im September 2016 auf Veranlassung der Koalition aus dem Amt geschieden. Seine Stelle ist abgeschafft worden. Seit mehr als 5 Jahren hat der Bürgermeister also keine eigene Personalstrategie entwickelt und diese dementsprechend auch nicht an die seit 2016 geänderten Verhältnisse und Bedürfnisse angepasst.

Dies ist ein nicht länger hinnehmbares personalpolitisches Versagen.

Der Bürgermeister muss endlich selbst aktiv werden und sich um die Personalsituation kümmern.

Warum verlassen immer wieder Mitarbeiter die Verwaltung?

Warum gibt es so hohe Krankheitsstände?

Was kann man tun, um genügend Erzieherinnen und Erzieher zu gewinnen, damit am 1.3.2022 die 5. Gruppe und am 1.8.2022 die sechste Gruppe in der KiTa am Bahnhof eröffnet werden können?

Wie kann der weitere Personalbedarf nach dem Gute-KiTa-Gesetz ab dem 1.8. abgedeckt werden, der von der Verwaltung in Eschwege mit 632 Wochenstunden errechnet worden ist und einem Äquivalent von 16 Vollzeitstellen entspricht, abgedeckt werden?

Im Haushalt sind nur 8 Stellen mit Finanzmitteln hinterlegt!

Der uns zur Abstimmung vorgelegte Stellenplan wird den Anforderungen an eine gute Zukunftspolitik für unsere Stadt nicht gerecht und muss daher leider von uns auch abgelehnt werden.