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Haushalt 2018

Haushalt 2018 birgt gefährliche Risiken

Redebeitrag von Stv. Jörg Heinz in der Stadtverordnetenversammlung am 14.12.2017

„Haushalte werden in guten Zeiten ruiniert, nicht in Krisenzeiten“, hat Bürgermeister und zuständiger Finanzdezernent Heppe bei Einbringung des Haushalts gesagt. Er hat damit eine Warnung von Walter Wallmann, Präsident des Landesrechnungshofes, zitiert. Der hatte gewarnt: Zwar sei erstmals seit langer Zeit ein Haushaltsüberschuss erzielt worden, voraus liege allerdings noch ein langer und steiniger Weg, vor allem für den Fall steigender Zinsen und geringerer Steuereinnahmen. Was Wallmann jüngst zum Landeshaushalt angemahnt hat, lässt sich eins zu eins auf den Eschweger Haushaltsplan für das Jahr 2018 übertragen. Das Schlimme: Der BM glaubt, die Bedrohungen und Gefahren zu kennen und schlägt dennoch den falschen Weg ein, den Weg Richtung Ruinierung künftiger Haushalte – und das macht es der SPD unmöglich, diesem Haushalt zuzustimmen.

Bei flüchtigem Durchschauen des 600-Seiten-Werkes scheint die Kreisstadt tatsächlich in einer komfortablen Lage: Zuwächse bei den Einnahmen von knapp 4 Mio. Euro im Vergleich zum Vorjahr und ein Haushaltsüberschuss von über 1,2 Mio. Euro. Aber nun ist es ja die Aufgabe, sogar die vornehme Pflicht und auch das Vergnügen der Opposition, ein wenig genauer hinzusehen. Dann entdeckt man sie – die gefährlichen Schwächen, dann merkt man: Dieser Haushalt des Bürgermeisters ist ein Risiko-Haushalt.

Denn die aktuellen Ertragssteigerungen stützen sich hauptsächlich auf Zuwächse bei der Einkommenssteuer, der Umsatzsteuer, den Schlüsselzuweisungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich sowie der Gewerbesteuer. Sie spiegeln nichts anderes als die derzeit sehr gute Wirtschaftslage mit hohen Steuereinnahmen bei Bund und Ländern sowie gefüllten Auftragsbüchern auch bei den hiesigen Unternehmen und Betrieben. Es gilt, was der Stabilitätsrat aus den 17 Finanzministern von Bund und Ländern Angang der Woche gesagt hat: „Die gute Haushaltslage wird in erheblichem Umfang durch konjunkturell bedingte Zunahme der öffentlichen Einnahmen und anhaltende Niedrigzinsphase getragen.“ Das gilt so auch für Eschwege: Die Daten liefern eine Scheinsicherheit und eine durch externe Faktoren geschenkte Scheinblüte. Denn die Entwicklung dieser Zahlen hat die Stadt Eschwege nicht in der Hand, sie sind nicht von Dauer, bei der nächsten Rezession brechen diese Einnahmen weg.

Dann aber schlagen die Ausgaben voll zu Buche, die 2018 ebenfalls stark ansteigen sollen, im Vergleich zum Vorjahr um über 3 Mio. Euro. Diese Ausgaben wirken zum überwiegenden Teil nachhaltig und sind beim nächsten Wirtschaftseinbruch nicht so schnell zu reduzieren. Sie erhöhen dann den städtischen Kreditbedarf und werden bei ansteigenden Zinsen ein Riesenproblem.

Auf fünf gravierende Haushaltsrisiken will ich hinweisen.

Risikofaktor 1 – Personalaufwendungen:
Im nächsten Jahr steigen die Personalkosten laut Stelllenplan um 527.000 Euro, d.h. um 7,6 Prozent gegenüber 2017, verursacht zum größten Teil durch die Einstellung neuer Mitarbeiter. Insgesamt gibt es sechs neue Stellen, nur 2,75 davon sind befristete, die anderen werden auch die nachfolgenden Haushalte belasten. Zudem werden die Neueinstellungen zum Teil erst im Laufe des Jahres voll wirksam, rechnet man sie auf volle Jahresdauer, erhöhen sich die Personalkosten im Vergleich zum Vorjahr sogar um satte 600.000 Euro, und das ab jetzt Jahr für Jahr. Genau deswegen hat der eben zitierte Präsident des Landesrechnungshof davor gewarnt, bei aktuellen Haushaltsentscheidungen der hessischen Kommunen – vor allem beim Personaleinsatz, und übrigens auch bei den Steuersätzen – die Folgen für die Zukunft nicht aus dem Blick zu verlieren.

Dabei war die Koalition aus CDU, FDP und FWG 2016 mit dem Ziel angetreten, Personalkosten zu sparen und hat erst einmal den hauptamtlichen ersten Stadtrat gestrichen. Eine undurchdachte Maßnahme, die sich offensichtlich jetzt rächt: Ein Teil der gestiegenen Personalaufwendungen wird mit Höhergruppierungen durch gestiegene Aufgaben begründet. Es wäre zu prüfen, inwiefern hier ehemalige Aufgaben des Finanz-, Sozial- und Ordnungsdezernenten nach unten durchgereicht worden sind und jetzt zu die Neubewertungen bestimmter Stellen und damit zu erhöhten Personalkosten geführt haben. Zumindestens bei den Stellen im FD 31 könnte das der Fall sein. Die Ergebnisse einer entsprechenden Organisationsuntersuchung liegen zwar vor, die Verwaltung konnte sie jedoch bei den Beratungen des Stellenplanes noch nicht liefern. Wir werden da weiter nachforschen.

Risikofaktor Nr. 2 – Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen:
In diesem Bereich steigen die Ausgaben um einen Betrag von 260.000 Euro auf einen Rekordwert von über 9,3 Mio. Euro. Ohne die kostenrechnenden Einrichtungen Abwasser- und Abfallwirtschaft, die über den Gebührenhaushalt finanziert werden, ist das gegenüber dem letzten Brillhaushalt 2016 eine Steigerung von rund 10 Prozent. Allein die Aufwendungen für den Winterdienst sollen trotz ausbleibenden Schnees auf fast 600.000 Euro verdoppelt werden. Da gerät etwas außer Kontrolle. Bei der Ausgabenentwicklung in diesem Bereich fehlt ganz offensichtlich die ordnende Hand eines hauptamtlichen Finanzdezernenten, dem Bürgermeister, der jetzt allein für alles zuständig ist, scheint an dieser Stelle die Entwicklung etwas zu entgleiten.

Risikofaktor Nr. 3 – hohe Investitionskosten:
Investitionen in die Zukunft der Stadt sind unerlässlich, aber sie sind bedarfsgerecht und wegen der Folgekosten, der Schuldenerhöhung und der haushaltsbelastenden Abschreibungen mit Augenmaß zu gestalten, beides fehlt hier leider. Die erfolgreiche Haushaltskonsolidierungsweg der letzten Jahre ist auch dadurch erreicht worden, dass die Investitionen auf rund zwei Millionen Euro netto (rein städtische Mittel) gedeckelt worden ist. Durch klugen Einsatz von Fördermitteln ließen sich daraus Investitionsmittel in Höhe von jeweils rund 5 Mio. Euro brutto erreichen und damit die Zukunftsfähigkeit der Stadt sichern. Derzeit aber sind auch hier die Grenzen gesprengt. Wir liegen jetzt bei einer Investitionssumme von rund 8 Mio brutto für das kommende Jahr, die nur mit erhöhter Kreditaufnahme zu stemmen ist. Die Neuverschuldung Eschweges erhöht sich trotz guter Haushalts- und Konjunkturlage damit um 2,7 Mio. Euro, die Gesamtschulden bleiben auf konstant hohem Niveau von 40 Mio. Euro. Bei der aktuellen Niedrigzinslage ist das kein Problem, aber wenn in absehbarer Zeit die Zinsen wieder Normalniveau erreichen, dann schmilzt der Hauhaltsüberschuss dahin, dann droht erneut ein Defizit, dann verkleinert ein ruinöser Schuldendienst Handlungsspielräume und Entwicklungsmöglichkeiten.

Regelmäßige Investitionen in die Zukunftsgestaltung dieser Stadt sind absolut wichtig und werden auch nicht in Frage gestellt. Aber in diesem Fall kommen sie entweder zu spät oder fließen in fragwürdige Projekte: Seit 2015 war bekannt, dass eine Kita fehlt, der damals zuständige Dezernet Reiner Brill hat entsprechende Haushaltsplanungen eingeleitet, nach seinem Weggang sind diese Mittel gestrichen worden. Dann ist lange nichts passiert und jetzt, wo die Not riesig ist, da werden 500.000 Euro eingestellt, aber damit wird im ganzen nächsten Jahr nicht ein einzige neuer Betreuungsplatz entstehen. Die knappe Million für die Spundwand am WTS ist ein hochriskante Abenteuer mit ungewissem Ausgang und fragwürdigem Nutzen, 2018 wird auch an dieser Front nichts Entscheidendes passieren und die vom Bürgermeister versprochene Badequalität im WTS nicht erreicht werden.

Risikofaktor Nr. 4 – Mangelhafter Abruf von Investitionsmitteln:
Die für die Entwicklung und Modernisierung der Stadt bereitgestellten Investitionsmittel werden nur unzureichend abgerufen. Im vergangenen Jahr standen über 4,8 Mio. Euro für Investitionen zur Verfügung, ausgegeben wurde lediglich eine gute Mio., das ist eine traurige Quote von 22%, ein gutes Fünftel. Das heißt, die Stadt bleibt in ihrer Entwicklung und im interkommunalen Wettbewerb weit unter ihren Möglichkeiten, Modernisierung wird verzögert und findet nur mit stark gebremster Wirkung statt. Für das laufende Jahr sieht es nicht besser aus und auch im kommenden Jahr wird es nicht anders sein, wenn nicht energisch gegengesteuert wird. Die Verantwortung dafür trägt der zuständige Dezernent, der Bürgermeister, der ja mittlerweile alleiniger Dezernent für alles ist. 

Risikofaktor Nr. 5 – fehlender Konsolidierungswille:
Garant der gelungenen Haushaltskonsolidierung in den letzten Jahren, von der der aktuelle Haushalt teilweise immer noch profitiert, war das vom Kämmerer und dem FB2 erstellte HSK. Hier gab es mit konkreten Zahlen hinterlegte Analysen und mittelfristige Handlungskonzepte, die die wichtigsten Stellschrauben Personal, Sach- und Dienstleistungen sowie Investitionen genau beobachtet und strategisch ausgerichtet haben.  Das gibt es nicht mehr, die Konsolidierungsanstrengungen sind eingeschlafen und verebbt. Der BM verlässt sich für die Zukunft allein auf die gute konjunkturelle Lage und das elektronische HSK des Landes, das diesen Namen nicht verdient.

Diese Landesvorgabe erschöpft sich nämlich in einer reinen Datenabfrage, die nach erfolgter Sammlung und Gewichtung lediglich eine Zahl auswirft. Das erinnert mich ein bisschen an den Kultroman „Per Anhalter durch die Galaxis“, in dem ein Supercomputer auf die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ nach Millionen Jahren Rechenzeit die Antwort 42 ausgespuckt hat. In Eschwege heißt diese Zahl jetzt 80 und ist grün. Das ist alles, das ist das ganze HSK. Es fehlen konkrete, ambitionierte, strategische Handlungskonzepte für einen nachhaltigen Haushalt, der uns ein Stück weit unabhängig macht von den Wechselfällen der Konjunktur und aus eigener Kraft Stabilität, Verlässlichkeit und Sicherheit für die städtische Entwicklung schafft. 

Fazit:

Strukturelle Haushaltsprobleme, die schon mal im Griff und gelöst schienen, sind wieder da. Das ist kein nachhaltig stabiler Haushalt, er täuscht eine trügerische Sicherheit vor, aber hinter der oberflächlich schönen Fassade von einem Überschuss von 1,2 Mio. verstecken sich tief im Inneren gefährliche Risiken. Wegen ersterem werden wir den Haushaltsplan nicht ablehnen, wegen letzterem können wir aber auch nicht unsere Zustimmung erteilen. Wir haben auf gravierende Mängel in diesem Haushalt hingewiesen und hoffen, dass es dem BM gelingt, diese zu beheben. Nur einem nachhaltig fundierten Haushalt, der konzeptionelle Zukunftsperspektiven erkennen lässt, werden wir zustimmen.