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Grußwort – Maikundgebung 2013

 Grußwort – Maikundgebung 2013

Deshalb ist es richtig, dass Gewerkschaften und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für sichere Arbeitsplätze und für faire Arbeitsbedingungen kämpfen.

Wir müssen für Löhnen streiten, von denen die Beschäftigten auch Leben können. Es ist würdelos, wenn man den ganzen Tag arbeitet und anschließend Grundsicherung beantragen muss. Und deswegen ist die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 genauso überfällig wie der kontinuierliche Anstieg der Reallöhne.

 

Ich sage das auch bewusst als Kämmerer dieser Stadt. Denn eine viel größere Belastung als steigende Tariflöhne sind für die Kommunen Löhne, die nicht auskömmlich sind, Löhne, die mit Steuermitteln aufgestockt werden müssen, damit sie überhaupt das Existenzminimum erreichen. Faire Löhne schaffen Kaufkraft, faire Löhne schaffen Nachfrage und die trägt  entscheidend zum Wirtschaftswachstum bei. Steigende Löhne sind im Übrigen auch im Interesse eines fairen Wettbewerbs in Europa. Unsere Leistungsbilanzüberschüsse dürfen wir auf Dauer nicht einseitig zu Lasten unserer europäischen Nachbarn erzielen.

Heute am 1. Mai, Kolleginnen und Kollegen, demonstrieren in ganz Europa Hunderttausende für gerechte Löhne und soziale Sicherheit. Und insbesondere die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Rentnerinnen und Rentner in den südeuropäischen Ländern haben unsere Solidarität verdient. Es ist eine Katastrophe, was seit gut zwei Jahren unter dem Spardiktat von EU-Kommission, IWF und der EZB passiert. Die Armut wächst,  die soziale Ungleichheit nimmt zu die Arbeitslosigkeit steigt rapide. In Spanien und in Griechenland liegt die Arbeitslosenquote jeweils bei über 27 %. In Spanien sind über 6 Mio. Menschen arbeitslos. Das ist eine soziale Katastrophe und das ist sozialer Sprengstoff.

In Südeuropa wird eine ganze Generation junger Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Spanien bei rd. 57%  und in Griechenland bei 60 %. Die jungen Menschen können keine Berufs- und keine Lebensperspektive entwickeln.

Ich meine, wir brauchen deshalb dringend für Europa eine andere Politik. Vernunft, Gerechtigkeit und Solidarität müssen Europas Antwort auf die Krise bestimmen. Und dazu gehören die Besteuerung der Finanzmärkte,  ein Wachstumsprogramm für Südeuropa,  mehr Bildung für junge Menschen, deutlich weniger Bürokratie und dass den Spekulanten auf den Finanzmärkten endlich das Handwerk gelegt wird.

Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine weitere Entwicklung, die mir, die uns Sorge machen muss. Während einerseits bei uns der gesellschaftliche Reichtum immer weiter wächst, wird andererseits die Kluft zwischen arm und reich immer größer. Etwa jeder sechste Einwohner in Deutschland gilt als arm; das sind knapp 16 % der Bevölkerung. Das Einkommen der obersten 20 % der Menschen in Deutschland ist etwa 4,5 Mal so hoch wie das der unteren 20 %.

Der vorhandene gesellschaftliche Reichtum kommt weder bei den Beschäftigten an noch in den öffentlichen Kassen und damit bei der Allgemeinheit. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen ist seit Jahren prekär. Wir müssen in Eschwege  unser Investitionsvolumen über Jahre deutlich zurückfahren. Wir müssen Personal reduzieren, was auch zu  Arbeitsverdichtung und Belastung bei den  Beschäftigten führt. Wir müssen Leistungen einschränken und Angebote ausdünnen. Betroffen sind alle Bereiche: Soziales, Kultur, Sport  und Gesundheit.

Das trifft zu allererst die, die am meisten darauf angewiesen sind. Das sind nicht die Wohlhabenden; es sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit niedrigen oder durchschnittlichen Einkommen. Es bleibt dabei: Einen schwachen Staat können sich nur die Reichen leisten. Und schwach ist der Staat nur, weil nicht alle zur Finanzierung beitragen. Die einen mit den starken Schultern entziehen sich, in dem sie Steuern hinterziehen. Die anderen sind in der Vergangenheit – z. B. bei der Unternehmens- und der Einkommenssteuer – massiv entlastet worden. Das sage ich auch ganz selbstkritisch in Richtung Rot-Grün.

Zur Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben brauchen wir einen höheren Spitzensteuersatz, wir brauchen eine Anpassung der Erbschaftssteuer und wir müssen die Vermögenssteuer wieder einführen. Diese zusätzlichen Steuereinnahmen werden benötigt, damit wir auch hier bei uns vor Ort in Eschwege angemessen in Kindertageseinrichtungen, in Schulen, in Bibliotheken, in den ÖPNV oder in die Wirtschaftsförderung und den Tourismus investieren können.

Eine solide Ausstattung der kommunalen Finanzen würde uns im Übrigen auch die Diskussionen um so genannte Schutz- und Rettungsschirme ersparen. Der Rettungsschirm der Hessischen Landesregierung legitimiert am Ende nur eine Umverteilung von oben nach unten. Erst werden den Kommunen Millionenbeträge aus dem Kommunalen Finanzausgleich entzogen und am Ende müssen dann soziale Leistungen gekürzt, Gebühren und kommunale Steuern erhöht werden, um vom Land Finanzhilfen zu erhalten. Für mich ist das eine gigantische und gezielte Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land. Dagegen müssen wir uns wehren und da brauchen wir, da brauchen die Kommunen auch die Solidarität und Unterstützung der Gewerkschaften.

Kolleginnen und Kollegen, ich will zum Schluss noch einen Punkt kurz ansprechen. Der DGB weist auf seine Einladung heute zum 1. Mai  zu Recht darauf hin, dass 2013 kein Jahr wie jedes andere ist. Am 2. Mai vor 80 Jahren wurde die freie deutsche Gewerkschaftsbewegung durch die Nationalsozialisten zerschlagen. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter wurden von den Nazis verhaftet,  gefoltert und ermordet. Das haben wir nicht vergessen und das werden wir nicht vergessen. Und deshalb lassen wir es auch nicht zu, dass rechte Gruppierungen und Parteien den 1. Mai  für ihre antidemokratischen Zwecke missbrauchen und vereinnahmen wollen. Der 1. Mai gehört uns – wir stehen gemeinsam gegen Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz.

Ich darf in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, dass auch vor 80 Jahren, am 23. März 1933, nur die Abgeordneten der SPD im Reichstag in der namentlichen Abstimmung geschlossen  gegen das Ermächtigungsgesetzt gestimmt haben. Die Worte, die der damalige SPD-Vorsitzende Otto Wels in seiner Rede fand, sind in die Geschichte eingegangen:  “Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht …“

Die älteste demokratische Partei Deutschlands, wird in diesem Jahr  150 Jahre alt. Die Geschichte der SPD hat 1863 mit der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins in Leipzig begonnen. Wir feiern in diesem Jahr unseren runden Geburtstag auch mit einigen Veranstaltungen in Eschwege und im Werra-Meißner-Kreis. Dazu darf  ich sie, dazu darf ich euch schon heute recht herzlich einladen darf. Schließlich gibt es trotz mancher kontroverser Diskussion zwischen Gewerkschaften und Sozialdemokraten auch viele gemeinsame Schnittmengen.

Nochmals vielen Dank für euer für ihr Kommen. Ich wünsche uns allen einen schönen 1. Mai-Feiertag und ein herzliches Glück auf!