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Änderung der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung der Kreisstadt Eschwege

Änderung der Geschäftsordnung der StVV der Kreisstadt Eschwege

Redebeitrag von Stv Jörg Heinz zur Änderung der GO in der Stadtverordnetenversammlung am 14.07.2016

Routinemäßig wird die GO zu Beginn jeder neuen Legislaturperiode aktualisiert und an neue Gegebenheiten angepasst. Nahezu ebenso routinemäßig versucht bei dieser Gelegenheit die Leitung des FB1, das bisher bei Stadtverordnetenversammlungen erstellte Wortprotokoll abzuschaffen. Das konnte in der Vergangenheit durch entsprechende parlamentarische Mehrheiten verhindert werden. Jetzt aber wollen die neuen Mehrheitsfraktionen von CDU, FWG und FWG dieses Vorhaben der Verwaltung erstmalig durchwinken, das war jedenfalls die Situation in der vorbereitenden Hauptausschuss-Sitzung vor drei Wochen.

Käme es so und würde der § 29 der GO an die Mustersatzung des HStGB angepasst, dann würde das bisherige Wortprotokoll von den Stavo-Sitzungen ersetzt durch eine sog. Niederschrift, die nur noch den „wesentlichen Inhalt der Verhandlungen“ festhält. Als wesentlicher Inhalt sind aufgeführt Tagesordnung, Anwesende, Beschlüsse, Namen der an der Diskussion Beteiligten. Mehr Informationen wird das Werk, das dann ja auch nicht mehr Protokoll, sondern nur noch Niederschrift heißt, nicht mehr bereit stellen. Das halten wir für falsch.

Die SPD beantragt daher, die geplanten Änderungen im § 29 der GO zu streichen, d.h. in der Vorlage unter 1. den Unterpunkt 6, der die Änderungen im § 29 betrifft, zu streichen. Ansonsten können wir der veränderten GO für die Stadtverordnetenversammlung und die Ausschüsse unsere Zustimmung nicht erteilen. 

Begründung:
Die Abschaffung des Wortprotokolls setzt Status und Wertschätzung der demokratisch gewählten Stadtverordnetenversammlung herab und erschwert die Arbeit der gewählten Mandatsträger in der Wahrnehmung ihrer Pflichten gegenüber der Stadt und ihren Menschen.

Erläuterungen:
•Ein Wortprotokoll ist wesentlicher und tragender Teil der demokratischen politischen Kultur.
•Das Wort und das Argument sind die Instrumente der politischen Auseinandersetzung in der Demokratie. Wenn das nicht gewürdigt wird, reduziert man die Parlamente auf reine Abstimmungsmaschinen.
•Dass seine Äußerungen in öffentlichen Debatten jederzeit nachprüfbar sind, verpflichtet den Redner zu Sorgfalt, Wahrhaftigkeit, Fairness und Mäßigung in der politischen Auseinandersetzung.
•Ein Wortprotokoll verdeutlicht die Argumentation, die Entscheidungen zu Grunde liegt, und macht sie möglicherweise nachvollziehbar und plausibel und führt zu größerer Akzeptanz bei den Betroffenen.
•Der Bürger kann sich über die Standpunkte der Fraktionen und der einzelnen Stadtverordneten informieren (es gibt immerhin nach Auskunft der Verwaltung rund 150 Online-Aufrufe der Stavo-Protokolle im Jahr, d.h. fast jeden zweiten Tag schaut hier ein Bürger nach!!!). So sind Bürgerinnen und Bürger  über die Entwicklung der Stadt auch ohne Besuche der Sitzungen jederzeit informiert und können bei Wahlen mündige und fundierte Entscheidungen treffen. Gerade beim Wahlrecht des Kumulierens und Panaschierens ist es unerlässlich, die Positionen auch einzelner Stadtverordneter zu kennen.
•Für die Aufzeichnung der Stadtgeschichte sind Wortprotokolle unverzichtbar. Wie ließen sich sonst die historische Entwicklung der Stadt und die ihr zu Grunde liegenden Beweggründe in späteren Zeiten fundiert und präzise nachvollziehen.
•Die Abschaffung des Wortprotokolls kommt deshalb einer Entwertung der demokratischen Institutionen Parlamentarismus und Volkssouveränität gleich und hier zuzustimmen bedeutet die Selbstenthauptung des Parlamentes.
•Das Argument, es ließen sich Kosten einsparen und personelle Ressourcen effektiver einsetzen, zieht nicht: Die Stadtverordnetenversammlung tagt sechs bis acht Mal im Jahr, ein Protokoll ist in wenigen Stunden erstellt. Außerdem entzieht sich parlamentarisch-demokratische Dienstleistung grundsätzlich jedem Kosten-Nutzen Kalkül. Ansonsten nähern wir uns weiter dem Zustand, den die konservative Kanzlerin ja schon lange anstrebt, der „marktkonformen Demokratie“. Das ist aber nicht unsere Vorstellung von Demokratie.